[Gastbeitrag] Inspirierende Sänger in „Carmen“ an der DO Berlin

Ein Geschenk für die Sinne

Wie bereits in der Empfehlung dieses Blogs versprochen wurde, stimmte an dieser Carmen tatsächlich alles. Die rumänische Mezzosopranistin Ramona Zaharia gab in der Titelpartie ihr Hausdebüt an der Deutschen Oper Berlin und überzeugte auf ganzer Linie in der Neuinszenierung von Ole Anders Tandberg.

Es ist Samstag Abend um 19.20 Uhr. Zusammen mit einigen Freunden sitze ich in der Deutschen Oper und starre auf das sonderbare Bild des Bühnenvorhangs. Es entfachte unmittelbar eine angeregte Diskussionen zwischen uns. Was war es?- Ein gehäuteter Vogelkopf? Ein Auge oder gar eine Niere? In Wirklichkeit sollte es anscheinend das Herz eines Stiers darstellen.

Dabei entschied sich der Torrero Escamillo (Samuel Dale Johnson) nicht für das Herz, sondern für die Hoden des von ihm erlegten Stiers und schenkte sie Carmen als Zeichen seiner Liebe. Im Anschluss daran warf Carmen verspielt das Plastik-Gedöns mit Schwung in den Orchestergraben, während sie über die Wankelmütigkeit der Gefühle sang.

Ein lautstarkes Lachen des Publikums war ihr hiermit sicher!

Brisante Neuinszenierung

Allerdings erntete die teilweise gewagte Inszenierung auch Buhrufe, z.B. als Carmen, Mercédès und Frasquita die Zukunft aus menschlichen Nieren anstatt aus Karten lasen. Sehr makaber, aber auf Herz und Nieren geprüft!?

Trailer zu „Carmen“ an der DO Berlin mit Clémentine Margaine als Carmen

Jedoch verlieh der norwegische Regisseur Ole Anders Tandberg seiner Inszenierung Aktualität und Brisanz, indem er auf den seit einigen Jahren in den Medien präsenten Organhandel anspielte. Die ursprünglichen Tabak- und Kaffeeschmuggler verwandelte er in Organ- und Menschenhändler. Zudem endete die Oper plakativ damit, dass Don José (Joseph Calleja) der getöteten Carmen ihr Herz aus der Brust riss und es als blutige Trophäe dem Publikum siegreich entgegenhielt. Im Hintergrund erklang der Jubel der Arena über Escamillos Sieg (Samuel Dale Johnson) über den Stier.

Ein musikalischer Schmaus

Ramona Zaharia gelang eine facettenreiche Carmen: Sinnlich, selbstbestimmt, bildschön, feurig, frei und doch klar definiert! In dem rotem Flamencokleid neckte sie die Männer mit akzentuierten Hüftkicks und verführte mit weichen, verschlungenen Bewegungen ihrer Hände. In Kombination mit der vollmundigen und farbenreichen Stimme, deren pianissimi gekonnt in den Zuschauersaal schwirrten, wirkte die Titelpartie insgesamt sehr stimmig!

Das Besondere an dieser Besetzung war die Spielfreude der Sängerinnen und Sänger. Als Publikum spürte man deutlich, dass die Solisten das Singen lieben. Jaques Lacombe dirigierte das Orchester transparent und präzise. Die feurigen Rhythmen und Melodien sorgten für das spanische Flair der Oper, das im Bühnenbild eher auf der Strecke blieb. Der Chorklang war sehr struktuiert, durchsichtig und gebündelt und auch der Kinderchor sang hervorragend.

Das sängerische Können würdigte das Publikum mit den nicht enden-wollenden Bravo-Rufen während des Schlussapplauses. Diese Aufführung zu erleben, war wahrlich ein Geschenk für die Sinne und eine Inspiration für Singende!

Eva Enders, Altistin
(Gesangsunterricht bei Lunit Riebel seit 2017)

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